Rundgang

Übersicht der Duftstationen im Schloss: Was ist wo? Wo riecht es wie?

Folgen Sie Ihrer Nase und dem Plan durch die fünfzehn Dufträume des Schlosses Wildegg. Parfumeure, Aromatolginnen und Kreativteams haben für ausgewählte «Duftstationen» neue Kreationen geschaffen. Diese nehmen Bezug auf die Geschichte des Raumes, der mit Objekten der Historischen Sammlung neu inszeniert wurde.

Sie können alleine, im Rahmen einer Führung oder als Gruppe auf Duftreise gehen. Alle Reservierungsmöglichkeiten finden Sie unter Tickets & Service.

Lassen Sie sich auf dem Rundgang überraschen, inspirieren und verführen.
 
 

ERDGESCHOSS

1 – Eingangshalle
Welcome ist ein helles, freundliches Bouquet von Zitrusnoten wie Bergamotte, Orangenblüten, Petitgrain und Grapefruit in Abstimmung mit leichten, grünen Teenoten und heller Iris. Es lädt ein ins Schloss, welches man heute durch die Ende des 17. Jahrhunderts von Bernhard Effinger erbaute, lichtdurchflutete Eingangshalle betritt. Diese Halle ersetzte eine Holzbrücke, die gemäss der Burgchronik «hoch ob einem schauerlichen Abgrund schwebte». Jean-Claude Richard hat deshalb einen stimmungsaufhellenden Welcome-Duft kreiert. Wie vor allem in orientalischen Ländern üblich, sollen grosse Wasserschalen mit Kräutern und Blüten und ein kleiner Springbrunnen den Besucher erfrischen und erquicken, bevor dieser seine Reise durch das Schloss antritt.

2 – Neues Esszimmer
Life, sweet and bitter ist inspiriert von berühmten «Tea Blends» und ihrer Komposition aus süsslich und klaren Zitrusnoten mit vielfältigen Gewürznoten, die bald bitter, bald grün, bald orientalisch, bald würzig sind. Das Süsse und Bittere des Lebens auf dem Schloss besprachen die adligen Damen wohl im neuen Esszimmer von Schloss Wildegg und im angrenzenden Weissen Kabinett. Laurence Fanuel interessiert sich für die Lebenswelt der Frauen – sie hatten damals weder Wahlrecht noch Zugang zu öffentlichen Ämtern oder Eigentumsrechte. Die Französische Revolution von 1789 erschütterte auch ihre Welt. Sprachen die Damen bei Tee und Gebäck über die «süssen» Themen Mode und Schönheit oder über die «bitteren» politischen Wirren und Geschehnisse im Europa des 18. Jahrhunderts?

 
 

1. OBERGESCHOSS

3 – Salon
Le Salon besteht aus zwei gleichberechtigten Teilen und hebt damit die traditionelle Unterteilung eines Parfums in Kopf-, Herz- und Basisnote auf. Der Salon, den Christophe Laudamiel mit diesem Duft bespielt, diente den Herrschaften als Wohnzimmer, als Ort der Geselligkeit und Musse – und zwar sowohl den Damen als auch den Herren. Während die Damen in den hellbeleuchteten Nischen zu musizieren pflegten oder Handarbeiten nachgingen, war die Nische mit dem imposanten Sekretär dem Schlossherrn vorbehalten. Christophe Laudamiel holt mit seiner olfaktorischen Interpretation die vier Jahreszeiten in den Salon. Blonde Tabaknoten und ein feiner Duft nach Kräutertee runden die Kreation ab: Den Genuss von Tabak und Tee hat die Menschheit auch der Natur zu verdanken.

4 – Salis Stube
Sad Flowers verbindet florale Aspekte mit krautigen, natürlichen Düften. Rauchiger Duft von Schiesspulver kontrastiert das Blumenbouquet und lässt es dicht, dunkel, fast mystisch erscheinen. Damit passt Sad Flowers in seiner Ambivalenz perfekt zur Salis-Stube, in der die der Französischen Revolution entflohene Adlige Marie Louise de Montléart in den Armen von Sophie von Erlach-Effinger verstarb. Der Raum trägt seinen Namen zu Ehren von Barbara von Salis-Soglio (1660-1738), Gemahlin von Bernhard Effinger (1658-1725), der die Wildegg repräsentativ im französischen Stil ausbaute und Gäste aus dem In- und Ausland empfing. Laurence Fanuel verbindet in ihrer Duftkomposition sämtliche Gegensätze, die in diesem Raum aufeinandertrafen: Männlichkeit und Weiblichkeit, Einsamkeit, Traurigkeit und Momente der Freude.

5 – Küche
Das Aroma der Schlossküche kann man sich im wahrsten Sinne des Wortes auf der Zunge zergehen lassen. Eine Küche kombiniert auf ihre eigene Art: heute süsse Rüebli mit blumigen Äpfeln, morgen vielleicht erdige Randen mit rauchigem Schinken. So jedenfalls muss es sich Andreas Wilhelm damals vorgestellt haben, als er als Bub mit seinem Grossvater zahlreiche Schweizer Schlösser besuchen durfte. Die «plakativen Gerüche», mit denen er hier arbeitet, sind eine Reminiszenz an diese speziellen olfaktorischen Kombinationen. Der Parfumeur möchte im Besucher das kindliche Erstaunen wecken, den Eindruck einer Welt, die sich auftut – genau so, wie er es damals an der Hand seines Grossvaters erleben durfte.

6 – Eckzimmer
Der Duft des Junggesellenzimmers ist wie ein Palimpsest angelegt: Es gibt Spuren von Materialien, die nur schwer hindurchscheinen durch das Gewirr von Einzelnoten. Das Junggesellenzimmer ist denn auch ein Raum grosser Gefühle: Der Lieblingsbruder von Sophie von Erlach-Effinger, Albert Effinger, hat auf dem Schreibtisch in der Fensternische viele seiner Schriften verfasst. Sophie führte in diesem Zimmer Tagebuch über ihren Sohn Albrecht Friedrich, der als Offizier in österreichischen Diensten war und 25-jährig verstarb. Er wurde hier aufgebahrt. In der Wärme der ambrierten Noten des Duftes lässt Ralf Schwieger die Schatten der Menschen erkennen. Dagegen steht Lavendel für den Willen, die Präsenz der Menschen zu übertünchen, das saubere Element. Doch auch über die «Wilde Ecke», der das Schloss seinen Namen verdankt, hat sich schliesslich der Staub der Jahrhunderte gelegt.
 
 

2. OBERGESCHOSS

7 – Festsaal
Myrrhmetal ist ein Zusammenspiel von balsamischem Holz und kühlen Metallnoten. Das Martialische hätte Bernhard Effinger zweifellos gefallen, ebenso die Kombination der Gegensätze: Einer der Höhepunkte seiner Militärkarriere war die Verteidigung Wiens 1683 gegen das Osmanische Reich. Das prachtvoll verzierte Panzerhemd, das er damals mit nach Hause brachte, bezeugt die spannungsvolle Geschichte zwischen Europa und Asien, welche Christophe Laudamiel in seiner Komposition aufgreift: europäische und türkische Rosennoten, dazu mediterrane Harze und der im arabischen Raum verbreitete Duftstoff Oud vom Adlerholzbaum. Mit Myrrhe, welche sowohl von Christen, als auch von Muslimen verwendet wird, spielt Christophe Laudamiel in seiner kunstvollen Duftsprache auf die religiöse Bedeutung von Düften und Essenzen an.

8 – Gastzimmer
Exotische Reise vereint die ganze Welt in einem Flacon. Süssliche Vanille verbindet sich mit balsamischem Patchouli, fruchtig strahlenden Zitrusnoten, gebranntem Kaffee, grün-krautigem Koriander, Zimt und Kardamon. Vor allem in den Sommermonaten herrschte reges Treiben auf der Wildegg. Das Gästezimmer mit herrlicher Aussicht und einem wunderschönen Himmelbett wirkt einladend, denn es gehörte zur Adelskultur, Gäste stilvoll zu empfangen. Jean-Claude Richard stellt sich vor, wie ein älterer Reisender soeben im Gästezimmer angekommen ist und die Geschenke für die Herrschaft bereitlegt – erlesene Gewürze und Tees, Kräuter und Blüten sowie andere Kostbarkeiten. Ein auf dem Tisch platzierter Krug mit Kräuter- und Orangenblütenwasser steht sinnbildlich für die Gastfreundlichkeit der Familie Effinger.

9 – Dienstmägdezimmer
The Helpers’s Life ist eine Kreation, die weder richtig hell und sauber noch dunkel und dreckig ist. Es ist der warme Geruch von Haut, der sich mit seifigen Aspekten vermischt. Das Esserige, Balsamische und Muskartige verbinden sich mit hellen zimtartigen Anklängen, die einen Zitrushauch erkennen lassen. Auch mit diesem Duft erfasst Laurence Fanuel einen Aspekt der weiblichen Personen und Schicksale auf Schloss Wildegg und erweist mit der Interpretation des Dienstmägdezimmers allen Helferinnen auf Schloss Wildegg ihre Referenz, die in mühsamer Handarbeit Wäsche, Küche und alle andere nicht endend wollende Hausarbeit erledigten. 1820 wurde dieser Raum als Dienstmägdezimmer eingerichtet. Er war simpel und funktional möbliert, denn viel «Freizeit» besassen diese Mädchen nicht: Einmal pro Monat hatten sie am Sonntagnachmittag frei – der Traum, beim Flanieren am Zürichsee einen Mann zu finden, der sie aus ihrer Misere herausheiraten würde, blieb wohl meist unerfüllt.
 
 

3. OBERGESCHOSS

10 – Bibliothek
Der Duft der Bücher zerlegt den charakteristischen Geruch von Papier, Leim und Druckerschwärze in seine einzelnen Duftaspekte. Plötzlich findet man unverhofft süsse Vanille, holzige Elemente und leicht fettige Noten, die satt und dicht sind – genau wie Bücher, die durch Hunderte von Händen gegangen sind. Mit ihren alten Wandmalereien lädt die Bibliothek zum Lesen ein, aber auch zum Innehalten und tief Einatmen. Für Ralf Schwieger ist Lesen eine Tätigkeit, die den Geruchssinn anregt. Nicht nur jede Bibliothek hat ihren eigenen Geruch, sondern sogar jedes Buch. Jeder dieser Nuancen trägt «Der Duft der Bücher» auf seine eigene Weise Rechnung.

 
 

4. OBERGESCHOSS & KELLER

11 – Dachboden
Den heute leerstehenden, kargen Dachboden mit seiner beeindruckenden Aussicht verwandelt das Kreativteam in eine Sommerstube. Statt des abgestandenen, staubgeschwängerten Geruchs, den man von einem Estrich erwartet, empfangen den Besucher verschiedene angenehme Düfte aus Garten, Landhaus und Schloss, Gerüche von frischen und getrockneten Pflanzen. Ziel dieses olfaktorischen Experiments ist es, auf die «Schlossessenz» zu stossen. Doch wie entdeckt man Gerüche überhaupt? Dies vermitteln hier alte und moderne Geräte wie eine Wasserdampfdestillation und ein Algenreaktor zur Gewinnung von Duftstoffen. Ob das Kreativteam die Schlossessenz wohl gefunden hat?

12 – Marstall
Im Marstall waren die Pferde der Familie Effinger untergebracht. Das Kreativteam hat deshalb für diesen Raum eine Entdeckungsreise mit animalischen Parfumkomponenten aufbereitet: Die heute synthetisch hergestellten tierischen Drüsensekrete wie Moschus (Moschustier), Amber (Pottwal), Zibet (afrikanische Zibetkatze) und Castoreum (Biber) spielen in der Parfumindustrie nach wie vor eine wichtige Rolle. In Kombination mit anderen Duftstoffen verleihen animalische Düfte wohlige Wärme und Volumen. Sie vermitteln Geborgenheit und haben gleichzeitig eine erotisierende Wirkung auf Mensch und Tier.

13 – Gang
«Bernhard Effinger reitet nach einer verregneten Sommernacht zur Jagd. Auf seinem Ausflug in die nahen Jagdgebiete nimmt er verschiedene Düfte und Gerüche wahr …» Für seine eigene Kurzgeschichte hat das Team historische Forschung betrieben: Welche Tiere wurden zur Zeit Bernhard Effingers im Spätsommer gejagt? Welchen Gerüchen und Düften begegnete der Schlossherr auf seinen Jagdtouren? Die olfaktorische Interpretation des Kreativteams veranschaulicht auf eindrückliche Weise, dass Nase und Imagination gemeinsam in der Lage sind, den Menschen auf eine Reise in die Vergangenheit zu schicken.
 
 

GARTEN & KLEINER TURM

14 – Kleiner Turm
Der Duft des kleinen Turms ist das Schlussbouquet, der olfaktorisch umgesetzte Abschied aus dem Schloss. Er verbindet den mehlig-stumpfen Duft der Kartoffel, süsslich balsamische Tabaknoten, grüne und herbe Kräuter mit süsslich-floralen Aspekten und rauchig teerigen Noten. Andreas Wilhelm spielt mit dem Geruchsbild «Kräuter der Umgebung» auf die Gastronomiegeschichte der Wildegg an: Die Frau von Johann Bernhard Effinger, Maria Katharina von Diesbach, brachte eine Schüssel Kartoffeln in die Ehe ein, womit sie allerdings keine Begeisterung ausgelöst haben dürfte. Denn die Kartoffel war im späten 17. Jahrhundert noch kein allgemein akzeptiertes Lebensmittel, weil sie nicht auf Bäumen, sondern unter dem Boden wächst. Diese erdige Note führt den Besucher über die steile, enge Wendeltreppe des Turms wieder hinaus ins Freie, hinaus aus der Welt der Düfte.

15 – Gartenpavillon
Mit Remember Spring lässt Ralf Schwieger den Frühling in seiner Frische und erdigen Kühle aufleben, auch wenn draussen die fahle Herbstsonne scheint. Der Gartenpavillon ist ein sommerlicher Rückzugsort, der weit entfernt liegt von der Enge und den Zwängen des Schlosslebens. Er gewährt einen schönen Ausblick auf die umliegenden Gebiete und die Weite der Landschaft. Der Gartenduft versetzt uns trotz nahendem Winter zurück in den Frühling, zaubert leichte, blumige Noten, die eher grün und hell, als üppig-floral sind. Im Hintergrund lässt sich die von den ersten Sonnenstrahlen erwärmte Erde als weiche, fast animalisch wirkende Note erahnen, die dafür sorgt, dass die jungen Triebe spriessen, die Grüntöne der Landschaft wieder erwachen und das eintönige Grau der in Nebel eingehüllten Landschaft vergessen geht.